Sharfefelder
Gleich zwei neue CDs des seit fünf Jahren in Köln lebenden Chicagoer Gitarristen Scott Fields erscheinen dieser Tage auf dem interessanten Lissabonner Improviser-Label Clean Feed. Fields kennt man von seinen Arbeiten mit Joseph Jarman, Hamid Drake, Mat Maneri, Marilyn Crispell, Michael Formanek, oder Jeff Parker, alle veröffentlicht auf Kleinstlabels wie Black Saint, Delmark, und Music and Arts. Scharfefelder — sorry, diesen Titel, zusammengesetzt aus den übersetzten Nachnamen der zwei Gitarristen Sharp und Fields, finde ich nicht so richtig lustig. Doch vielleicht ist diese strikte Eins-zu-eins-Übersetzung ja auch absolut ernst gemeint, denn musikalisch geht es in dieser «neuen Kammermusik» meist kratzbürstig zu. Da wird lustvoll so einiges zitiert, erinnert (in den packendsten Momenten) an Larry Coryell’s Spiel bei «Spaces», kurze Akkorde lassen auch an mittelalterliche Lautenmusik denken. Ausgiebige leidenschaftliche Improvisationsgefechte ausschließlich auf akustischen Gitarren, wilde Ausgelassenheit, zarte Sinnlichkeit, abrupte Brüche — wahrscheinlich ist das alles provokativ gemeint, soll den Hörer herausfordern. Aber ob sich, außer auf Improvisation versessene Gitarristen und Hardcorefans der beiden Saitenderwische, noch jemand für deren introvertierten Streifzug durch die Scharfefelder interessiert? Nach fast siebzig Minuten gebe ich mich geschlagen — ganz ehrlich, mir ist dieses orgiastische «Geschrammel» zu anstrengend. — 4 stars (out of 5) Jazzthetik
Songs for the radio program This American Life
Diese CD erschien zwar schon im vergangenen Herbst. Da mir “This American Life” damals abhanden kam, sie hier im AMM-Forum aber unbedingt besprochen werden sollte, denn sie ist wirklich erstaunlich, im folgenden nun ein kleiner Text darüber. Der in Köln lebende US-Gitarrist ist kein Unbekannter in der Improviser-Scene, nahm Scott Fields doch beispielsweise mit den Protagonisten Hamid Drake, Gerry Hemingway, Joseph Jarman, Myra Melford, Otomo Yoshihide oder Matt Turner Musik auf. Sein neues Album, ca. Fields 32 Produktion, liefert die Musik des in Chicago gesendeten Radioprogramms “This American Life.” Allerdings kein schlichter Hintergrund-Klangteppich ist hier zu hören, sondern der ebenbürtige Partner neben David Sedaris, dem Autor und Sprecher der Story (ist auf der CD nicht dabei!). In den fünf von Fields komponierten Stücken gönnen sich der Gitarrist und seine drei Kollegen Sebastian Gramss (Kontrabass), João Lobo (Perkussion) und Scott Roller (Cello) alle Zeit und gelegentlich auch Ruhe der Welt. Ohne jemals in abgehobener Coolness zu erstarren, spielen sie absolut klar und intensiv ihr sensibles Free-Jazz-Ding. Konsequent und voller Emotion!!ā(Viel Vergnügen bei der Entdeckung wünscht. — All My Jazz
Bitter Love Songs
Ganz anders dagegen die Wirkung der Bitter Love Songs.Ebenfalls in weiten Zügen Improvisationsmusik, fesselt sie von Beginn an. Fields widmet sich durchgängig der freien Jazz-Form, wie sie Ornette Coleman mit seinen einstigen Gitarristen James «Blood» Ulmer oder Bern Nix etabliert. Dessen Harmolodic-System stand wohl Pate bei den sechs Stücken voller organisierter Unordnung. Fields zieht seine steil an- und absteigenden Flugbahnen ganz in dieser Tradition der «Umdeutung des Vorgefundenen» über lineare Intervallreihen. Seine zwei technisch hervorragenden Kollegen Sebastian Gramss und der Portugiese João Lobo begleiten den Gitarristen dabei mit feinsinnigen Überlappungen, führen lebhafte Kommunikationen. Diese Musik ist free, hat gleichzeitig aber auch eine fesselnde Melodiehaftigkeit und starke Blues-Verwurzelung — ungemein aufregend. — 4 stars (out of 5) Jazzthetik